dinsdag 12 februari 2013

Ägypten: Wie das Meer

Die soziale Revolution ist wie das Meer. Ihre Wellen folgen eine auf die andere, prallen an den Hindernissen auf, die sich zeigen, und zerschlagen sie oder weichen vor ihnen zurück. Mit der ganzen Gewalt eines unzähmbaren Aufschwungs zerstören sie Schlag auf Schlag die Überbleibsel der Macht, der Ausbeutung und der Unterdrückung. Eine erste Welle, riesig und unerwartet, hat die Diktatur von Mubarak mit sich fortgespült. Eine zweite sorgte dafür, dass sich die Armee zurückzog, die im Begriff war, die Macht zu übernehmen. Eine dritte ist heute dabei, sich gegen die neue Ordnung zu erheben, welche die Islamisten aufzuerlegen versuchen.

Der wahre revolutionäre Strudel gehorcht keiner Partei, keinem Chef, keiner Macht. Im Gegenteil, sie sind seine unversöhnlichen Feinde. Sie werden weggefegt werden, je mehr sich dieser vertieft. Zwischen der sozialen Revolution, die jedes Verhältnis umstürzen wird, das auf der Ausbeutung und der Herrschaft basiert, und den Betrügern, den Chefs, den Meistern, den Parteien, den Kapitalisten, den Autoritären aller Schattierungen, kann es nur einen Kampf bis zum Ässersten geben. Denn die Freiheit und das Ende der Ausbeutung setzen die Zerstörung von jeglicher Macht und des Kapitalismus voraus.

Es nicht im Geringsten überraschend, dass die anstrebenden Mächtigen versuchen, auf der revolutionären Welle zu surfen, die gegenwärtig das Land des Nils erfasst; es ist nicht überraschend, wenn neue Führer versuchen, sich durchzusetzen, indem sie täuschen und betrügen, unter Beihilfe der Medien und Regierungen von hier, die von der „Opposition“ sprechen; es ist nicht überraschend, dass sich der wahre revolutionäre Aufschwung durch kein Parteiprogramm, kein Referendum, keine Fahne äussert, und von keiner Hochburg der Macht auf der Welt erkannt wird. Sicher, diejenigen, die heute in Ägypten gegen die gegenwärtige Macht kämpfen, bilden keinen homogenen Block, ebensowenig, wie sie alle nach einer wahren sozialen Revolution streben. Die laufenden Kämpfe werden von tausenden Widersprüchen durchdrungen: zwischen den Gegnern, die eine verfassungsgebende Versammlung ohne den vorwiegenden Einfluss der Islamisten fordern, und denjenigen, die in der parlamentarischen Demokratie kein Heil sehen, zwischen jenen, die für Lohnerhöhungen und akzeptablere Arbeitsbedingungen kämpfen, und denjenigen, die alle Bosse vertreiben wollen, zwischen jenen, die kämpfen, aber ohne die Vorurteile, die herrschende Moral, die jahrtausendealten Unterdrückungstraditionen zu hinterfragen, und denjenigen, die, in ein und demselben Kampf, ebensosehr gegen die staatliche Macht kämpfen, wie gegen die erdrückende Last des Patriarchats, zwischen jenen, welche die Nationalflagge schwenken, und denjenigen, die ihre Kämpfe mit dem Kampf der Ausgebeuteten überall sonst auf der Welt verbinden… Doch es ist zweifellos das, worin sich die Stärke der Revolution befindet, die in Ägypten im Gange ist: Über alle Widersprüche hinaus, ist sie im Schoss der Ausgebeuteten und Unterdrückten entstanden. Hier ist es, wo die wahre Schlacht geliefert wird.

Das, was in Ägypten passiert, wird überall auf der Welt, wo Menschen am kämpfen sind, ein Echo haben. Wenn sich die Islamisten aller Tendenzen während Jahren vor Millionen von Leuten auf dem Planeten als soziale Kämpfer präsentieren konnten, wird ihre Maske vielleicht heute in Ägypten fallen, so, wie sie bereits in anderen Regionen fällt (denken wir an den Süden von Tunesien). Die soziale Revolution in Ägypten wird vielleicht das Grab der Islamisten und der religiösen Reaktion sein, die sich hinter einer angeblichen sozialen Emanzipation verhüllt.

Auf der Grundlage der internationalen revolutionären Solidarität befindet sich die eigene Wiedererkennung in den Kämpfen, die anderswo geliefert werden. Ein Zuschauer der aufständischen Aufwallung in Ägypten zu bleiben, kann nur zu ihrer Isolierung und ihrer Erstickung beitragen. Um den wahren revolutionären Aufschwung dort untern zu unterstützen und zu verstärken, denjenigen, der danach strebt, jeglicher Ausbeutung und jeglicher Macht ein Ende zu setzen, müssen wir agieren. Uns in das Getümmel werfen, bewaffnet mit der Idee der Freiheit, der wirklichen Freiheit.

Wir halten es also für angebracht, einen Aufruf zu lancieren, zum Angriff überzugehen, die laufende revolutionäre Welle in Ägypten dort, wo wir uns befinden, mit unseren eigenen Ideen, mit unseren eigenen Mitteln zu unterstützen. Wenn in Alexandria, in Kairo, in Malhalla,… tausende Personen sich in die Schlacht für eine neue Welt werfen, dann lasst uns dafür sorgen, dass jeder Repräsentant des Ägyptischen Staates und Kapitals überall auf der Welt den Konflikt vor seine Tür getragen findet. Dass jeder Staatsmann, Kapitalist und Diener der Ordnung der ganzen Welt in seinem Nacken den Hauch der sozialen Revolution verspürt.

Knüpfen wir durch die Aktion Verbindungen zwischen den Aufstandsherden überall auf der Welt!
Für die Zerstörung von jeglicher Macht!

[11/01/2013]
 
Publiziert auf Französisch in Hors Service, nr. 32, anarchistische Zeitung aus Belgien


Translation of "Egypte. Comme la mer", Hors Service 32, 15 january 2013