Athen, Griechenland. In zweitausend Kilometer Entfernung. Ein fast bankrotter griechischer Staat und eine Wirtschaft, die nicht mehr funktioniert. Auf den Rat der Europäischen Union hin, fordert die regierende sozialistische Partei eine Reihe wirtschaftlicher Maßnahmen und Umstrukturierungen. Die Minister schwören, es werden “Blut, Schweiß und Tränen” benötigt, aber “es ist die einzige Option”. Straßen, Häfen, Flughäfen, Grenzen, Fabriken, Eisenbahnschienen,… wurden seit Januar regelmäßig blockiert, blockiert von jenen, die wissen, dass sie diejenigen sind, die den Preis dafür bezahlen werden. Demonstrationen folgen auf Demonstrationen und nicht ein einziger Politiker schafft es den Protest zu beruhigen und zu kanalisieren. Schwere Krawalle mit den Aufstandseinheiten der Polizei finden regelmäßig statt und hunderte zerstörerische Akte, Brandstiftungen und Bombenanschläge richten ihre zerstörerische Energie in Richtung der staatlichen Strukturen und der Wirtschaft, in Richtung all der Manifestationen der Autorität.
“Blut, Schweiß und Tränen”. Während die Polizei gegen die Demonstrierenden auf eine zunehmend gewalttätigere Weise einschreitet, in jede Versammlung, die Knochen und Arme von Hunderten von Menschen brechend, fließt im Morgengrauen des 12. März 2010 tödliches Blut. Eine Polizeipatrouille erwischt zwei anarchistische Kameraden/Gefährten dabei, wie sie ein Auto klauen wollen. Nach einem Schusswechsel, schafft es ein Kamerad/Gefährte zu entwischen, während der andere, Lámbros Foúndas, tödlich verletzt wird. Kritisch verwundet, versucht er noch zu fliehen, wird aber von der Polizei gefangen und blutet vor deren Augen zu Tode. Lámbrous Foúndas war 35 Jahre alt und seit Jahren im Kampf gegen alle Formen der Autorität, allein oder mit einigen Kameraden, als auch mit anderen Unterdrückten und Rebellen. Er kämpfte mit allen Waffen, die er als nützlich erachtete: mit Stift und Papier, Stein und Feuer, Barrikaden und Demonstrationen, Schusswaffen und Granaten. Revolte war der Rhythmus seines Atems, so wie es die Freiheit war, die sein Herz schlagen ließ. Dies ist, warum wir ihn nicht vergessen werden, auch wenn wir ihn nicht gekannt haben mögen. Diess ist, warum sein Tod unseren Atem nur beschleunigen kann, nach der Luft des Lebens schnappend und den Weg zur Freiheit mit dem Aufstand öffnend.
Bergmassive und große Flüsse, ausgedehnte Prärien und die ausgedörrte Erde von Ex-Jugoslawien, trennen uns von Griechenland. Aber überall in Europa und auch hier in Belgien, wittert der Staat, dass da etwas am Laufen ist. Fühlen sie, dass es “sein könnte”, dass es “möglich” wäre, dass ihre Bürger plötzlich das Joch ihrer Resignation abschütteln und aufhören zu akzeptieren? Überall wird es immer klarer, dass mehr und mehr Menschen über Bord geworfen werden. Es ist kein Zufall, dass die Bullen jetzt den Abzug immer schneller und in einer entschiedeneren Form benutzen, dass ein neues geschlossenes Zentrum gebaut wird und sieben neue Gefängnisse gebaut werden. Sie sichern sich selbst ab gegen die “Möglichkeit” der Wut.
Es könnte uns Angst machen. In Furcht vor Gefängnissen, in Furcht von den Bullen zusammengeschlagen werden, in Furcht durch die Kugeln der Macht zu sterben, in Furcht das bisschen zu verlieren, das wir noch unseres nennen können. Wie auch immer, ab einem bestimmten Moment musst du dich der Frage aussetzen: dein Leben auf den Knien verbringen, benutzt und weggeworfen durch die Funktion der Wirtschaft und Kontrolle, zerquetscht durch die soziale Hierarchie, getötet durch die endlosen Warteschlangen, der Routine des Essen-Arbeit-Schlafen oder… ein Leben zu leben in dem dein Herzschlag der Freiheit dich in den Zusammenstoß gegen jegliche Autorität führt und dich deine Hand nach allen Waffen greifen lässt um sie anzugreifen.
Nichts kann garantiert werden, alles ist möglich. Die Revolte, die sich in Griechenland mehr und mehr ausbreitet war vor einigen Jahren noch beinahe undenkbar. Politiker und Journalisten wissen nicht mehr länger welche falschen Reden sie verwenden sollen, um sie zum verstummen zu bringen. Weil die Sprache dieser Revolte nicht im Bauch des Staates fabriziert wurde, sondern durch die Verweigerung noch länger durch den Morast gezogen zu werden. Lasst uns diese Sprache vereinnahmen, lasst uns ihr Vokabular und ihre Grammatik studieren, lasst sie uns verwenden um unseren eigene Dialekt zu erschaffen.
Es wird Zeit die paralysierende Haltung umzuwandeln, das “sich zu sehr auf den Ozean der Unterwerfung und Resignation konzentrieren”. Nicht mehr länger diese Realität zu sehen, diese scheinbar ständige Wiederholung des immer selben, dies als der Horizont, sondern zu sehen was sich dahinter verbirgt – den unvorhersehbaren Möglichkeiten entgegen.
Es ist Zeit einige schwelende Feuer anzustacheln.
Einige Anarchisten.
[veröffentlicht in Hors Service, Nummer 3, 22. März 2010]